«Anwender spüren, dass wir ihre Bedürfnisse ernst nehmen»

Bei der Entwicklung der neuen Steuerlösung Abraxas TAXA wird ein modifiziertes Design Thinking eingesetzt. Michael Booz, UX Architekt Steuerlösungen, erläutert den Nutzen der Methodik und ihre Grenzen.

Von Bruno Habegger · 17. März 2023

Michael Booz ist überzeugt von der Methodik Design Thinking, kennt aber auch deren Grenzen. (Foto: Louis Schöb)

Warum kommt Design Thinking jetzt verstärkt in der IT-Branche vor?

Michael Booz: Design Thinking ist in den letzten Jahren immer beliebter geworden, da immer mehr Unternehmen versuchen, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die den Bedürfnissen ihrer Kunden entsprechen. Dies vor allem, weil erfolgreiche Unternehmen ihren Benutzerfokus zelebrieren.

Wo liegen die Grenzen von Design Thinking?

Aus meiner Erfahrung muss man aufpassen, komplexe Probleme nicht zu stark zu vereinfachen. Das kann zu unpassenden Lösungen führen. Weil es sich um einen menschenzentrierten Ansatz handelt, bei dem Einfühlungsvermögen und Verständnis für Nutzerbedürfnisse wichtig sind, kann Voreingenommenheit zu blinden Flecken führen. Andere wichtige Dinge wie technische und finanzielle Realisierbarkeit gehen gerne vergessen. Der kreative, oft «fluffige» oder unstrukturiert wirkende Ansatz sollte immer einen strengen, strukturierten und iterativen Prozess beinhalten, das ist manchmal schwierig hinzubekommen. Insgesamt jedoch kann Design Thinking ein leistungsfähiger Problemlösungsansatz sein. Es ist jedoch wichtig, sich seiner potenziellen Grenzen bewusst zu sein, und es in Kombination mit anderen Frameworks, Methoden und Ansätzen einzusetzen, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Wieso ist Design Thinking für die entstehende Steuerlösung Abraxas TAXA relevant?

Unsere Steuerlösung besteht schon lange nicht mehr nur aus Formularen. Abraxas TAXA ist ein tiefgreifendes nutzerorientiertes System, welches Nutzergewohnheiten aus alten Systemen, privaten Bedürfnissen und aus dem Gebrauch anderer Apps vereint. Zudem ist es ein starkes Verkaufsargument, dass unsere Produkte praktisch ohne Schulung angewendet werden können, insofern man den fachlichen Kontext versteht. Wir erarbeiten die Lösungen Hand in Hand mit unseren Pilotkunden. Iteration für Iteration bewegen wir uns auf unser Ziel zu, die bestehenden Applikationen so abzulösen, dass nichts fehlt, sie aber auch ballastfrei ist und bleibt.

Abraxas TAXA

Aktuell entsteht die Schweizer Steuerlösung der nächsten Generation für Kantone und Gemeinden: Die moderne, sichere Lösung ist offen, modular, skalierbar und bietet Effizienzsteigerung in allen Schritten und über alle Staatsebenen hinweg bis hin zum Steuerzahler. 

Produkte wie Abraxas TAXA können praktisch ohne Schulung angewendet werden, insofern man den fachlichen Kontext versteht. Michael Booz, UX Architekt Steuerlösungen bei Abraxas

Wie wenden die Teams bei Abraxas TAXA Design Thinking an?

Wir nutzen nur Teilaspekte von Design Thinking, oder besser gesagt, wir haben es ein wenig modifiziert, um den vorher genannten Problemen besser begegnen zu können. Der Prozess funktioniert wohl für jede Organisation anders und muss partiell entdeckt werden. Es braucht viel Geduld, bis die Abläufe optimiert sind. Bei Abraxas TAXA haben wir viele Anläufe genommen, bis das Arbeitsmodell einigermassen funktioniert hat. Design Thinking ist keine exakte Wissenschaft, verfolgt aber wissenschaftliche Ansätze des empirischen Arbeitens. Man lernt nur, Schritt für Schritt die Probleme und Lösungen besser zu verstehen. Es darf also nicht der Anspruch sein, einen perfekten Arbeitsprozess zu definieren, sonst ist die Kreativität weg.

Wie kommt die Methodik bei den Kunden an?

Wir können selbstbewusst sagen, dass Design Thinking bis jetzt durchaus gut ankommt und auch verstanden wird. Wir lassen die Anwender nahe an uns herankommen. Sie spüren, dass wir ihre Bedürfnisse ernst nehmen und diese auch tiefgreifend verstehen. Für den Anwender ist es spannend und relevant, dass er sich in so einer frühen Phase des Projektes detailliert einbringen kann.

Design Thinking: So entwickelt Abraxas IT-Services mit den Kunden im Zentrum.
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Ein Beispiel?

In der Anfangsphase von Abraxas TAXA haben wir Design Thinking als Grundlage für diverse Ideation-Workshops (Ideenfindung, Anm. d. Red) genommen. Diese Workshops waren zwar aufwändig und beanspruchten viel Zeit. Was aber damals mit dem Team entstanden ist, davon nährt sich unser Produkt noch heute.

Warum ist Design Thinking der richtige Ansatz für alle Bereiche der IT?

Das würde ich so nicht sagen. Gleich wie bei agilen Ansätzen gilt es auch beim Design Thinking, äusserst kritisch zu sein. Ich habe durch meine tägliche Arbeit als Designer und Facilitator festgestellt, dass es etwas viel Wichtigeres gibt: Kollaboration und Einigkeit. Nur so lösen wir die hoch komplexen Probleme, welche uns in Zukunft noch bevorstehen: Jeder soll seine Expertise und seinen Blickwinkel einbringen können, und so erklimmt man zusammen Stück für Stück den Berg.

Design Thinking: Praxistipps von Michael Booz

  • Kollaboration ist eine Herausforderung im Betrieb: Es dauert eine Weile, bis sich die Teams soweit synchronisiert haben. Seid geduldig, aber bleibt hartnäckig.
  • Design Thinking ist «time boxed» (fester Zeitrahmen). Das Interesse der Teilnehmer nimmt ab, je länger die Phasen dauern.
  • Kleinere Teams für komplexe Probleme: mehrere kleinere Teams treiben Themen autonom voran.
  • Probleme nicht ignorieren: Sie zu lösen ist der Schlüssel für bessere Produkte.
  • Methodik erhalten: Bei aller Freiheit, die Design Thinking erlaubt, sollte es methodisch bleiben. Konsultiert Literatur, fragt UX-Designer.
  • Vielfältiges Team bilden: Personen mit ähnlichem Hintergrund generieren ähnliche Ideen. Das begrenzt den Ideenpool unnötig.
  • Chancen nutzen: Das Team entwickelt ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse und Erfahrungen der Benutzer einer Lösung. Gleichzeitig fördert Design Thinking auch Zusammenarbeit, Kreativität und offene Kommunikation im Team der Entwicklerinnen und Entwickler. Probleme werden besser verstanden und effektiver gelöst.
Bruno Habegger

Über Bruno Habegger

Bruno Habegger ist Abraxas-Magazin-Autor und Senior Communication Manager. Er verfügt über eine langjährige Erfahrung im ICT- und Energie-Bereich als Journalist, Contentproduzent und Berater. Er war Präsident einer Regionalpartei und an seinem damaligen Wohnort acht Jahre Mitglied der Sicherheitskommission.