Vor einigen Jahren startete China das soziale Experiment der «perfekten digitalen Überwachung» zur sozialen Stabilität in Metropolen wie Shanghai oder Chongqing. Der Fotograf Gilles Sabrié hat in seinem Projekt «The Surveillance State» dokumentarisch festgehalten, was das konkret heisst: «Von den über 300 Millionen Überwachungskameras, die an jeder Strassenecke montiert und mit Gesichtserkennungssystemen gekoppelt sind, bis hin zur Überwachung der Kommunikation von Smartphones, kann den Augen und Ohren des Staates nur wenig entgehen.» Aufgrund dieser Daten erhalte jeder Bürger, jede Bürgerin anstelle eines Namens eine Zahl, die aussage, wie ehrlich, wie kreditwürdig, wie parteitreu die Person ist. Was politisch als neuer Sicherheitsstandard bezeichnet wird, hat umfangreiche Konsequenzen für das Privatleben jedes einzelnen. Wer auf einer schwarzen Liste lande, könne weder ein Flugzeugticket kaufen noch Bahn fahren oder Wohneigentum erwerben. Eine Begründung brauche es nicht.
Ändert Wissen das Verhalten?
Dass neues Wissen nicht automatisch zu einer Verhaltensänderung führt, bewiesen die Nachwirkungen zu den Enthüllungen zur globalen Überwachungs- und Spionageaffäre der US-amerikanischen National Security Agency (NSA) von Edward Snowden 2013. Das Wissen über die umfangreichen Abhör- und Kontrollmechanismen führten zwar zu viel Kritik auf der ganzen Welt. Doch das individuelle Verhalten änderte sich in den vergangenen acht Jahren nur geringfügig – die Nutzungsdaten von sozialen Medien erreichen regelmässig einen neuen Höchststand. Denn letztlich kann diese Fragen nur jeder für sich selbst beantworten: Wie weit würden Sie gehen – auf der Strasse oder in Ihrem Verhalten –, wenn jeder Schritt, jede Bewegung registriert, analysiert und bewertet würde?