Die digitale Post fliesst in die Verwaltungsprozesse

Der Kanton St. Gallen nutzt eine Lösung von Abraxas, um das eigene Postsystem zu digitalisieren. Der Weg dahin ist noch lang, aber bereits hat man gute Erfahrungen mit der voll digitalisierten Post gemacht. Dennoch braucht es die interne Postverteilung nach wie vor – wie auch die klassische Logistik durch ein Postunternehmen.

Von Bruno Habegger · 26. November 2023

Digitale Post neben der analogen. Es braucht im Kanton St. Gallen auch in den nächsten Jahren beides. Fabienne Mäder, Senior Projektleiterin Digitale Services, treibt die Umstellung auf die digitale Post voran. Die Feedbacks sind erfreulich, der Service wird weiter ausgebaut. Dennoch verteilen Michael Imper, Leiter Postdienst, und sein Team weiterhin die physische Post. (Bild: Florian Brunner)
Das Projekt war der richtige Schritt. Der Bedarf und der Mehrwert für die Verwaltung ist definitiv gegeben. Fabienne Mäder, Senior Projektleiterin Digitale Services Kanton St. Gallen

Logistische Transformationsprojekte brauchen Zeit. Viel Zeit. Wer erinnert sich noch an das Rohrpostsystem der PTT, das 1997 definitiv Geschichte war? Die Technologie des Postversands mittels Druckluft durch kilometerlange Rohre in Gebäuden und Stadtgebieten hatte Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen, den Kurieren Konkurrenz zu machen. Heute gibt es sie immer noch für spezialisierte Anwendungen, beispielsweise in Spitälern.

Auch der Kanton St. Gallen hat sich 2020 aufgemacht, sein Postsystem zu überdenken und die Zustellung der physischen Post zu digitalisieren. Drei Jahre nach Projektbeginn gehen beim Postdienst der Staatskanzlei täglich rund 3'000 Briefe und Rechnungen physisch oder elektronisch ein; der Postdienst übernimmt die Triage und Feinverteilung in der kantonalen Verwaltung.

Der Wunsch nach Digitalisierung

Digitalisierung der Briefpost ist ein höchst komplexes Projekt. «Digitalisierung» bedeutet hier nicht einfach, jede Sendung über den höchst unsicheren E-Mail-Weg zu schicken, sondern ein neues digitales Postlogistik-System zu entwerfen, das rechtssicher und technisch geschützt ist, dazu Mehrwerte hinsichtlich Effizienz und Digitalität der Verwaltung bietet.

«Wir wollen den klassischen Postdienst in der kantonalen Verwaltung weiterentwickeln», sagt Fabienne Mäder, Senior Projektleiterin Digitale Services. Die digitale Postbearbeitung entspreche der Strategie im Rahmen der Schwerpunktplanung 2021 bis 2031, der konsequenten Umsetzung von Digitalisierungs- und E-Government-Strategien. Mit der Digitalisierung der eingehenden Post legt der Kanton die Basis für die durchgängig elektronische Geschäftsverwaltung mit der «letzten Meile» zum SAP- oder GEVER-System ohne Medienbruch. Auch fällt die Nachverfolgbarkeit, insbesondere bei Einschreiben, leichter. Und der offensichtlichste Vorteil: Die Mitarbeitenden der Verwaltung können ihre Post zeit- und ortsunabhängig bearbeiten.

Das Projekt entwickelt sich

Im Sommer 2020 begann die Einführung in der Staatskanzlei. Nur wenige Monate darauf folgten die ersten Piloten in mehreren Ämtern des Kantons St. Gallen. «Der Start mitten in der Corona-Zeit hat uns die Einführung erleichtert», sagt Fabienne Mäder, «die Benutzerinnen und Benutzer freuten sich, ihre Post nun auch im Home-Office digital empfangen zu können.» Die Schnittstellen zu SAP und GEVER standen von Anfang an zur Verfügung. Die grösste Herausforderung sei das Onboarding der Ämter gewesen, sagt Fabienne Mäder, «wir haben viel Zeit investiert, um Ausnahmeregelungen für das Scanning zu reduzieren und einen einheitlichen Standard mit grösstmöglicher Scan-Qualität zu erreichen – ein spannender und konstruktiver Prozess.» Der Regierungsratsbeschluss im ersten Quartal 2021 zur flächendeckenden Ausbreitung war dann auch eine wichtige Grundlage für die weiteren Fortschritte im Projekt, das inzwischen über Schnittstellen zu weiteren Fachapplikationen verfügt. «Die eingehende Post soll sich möglichst nahtlos in die Workflows einfügen, etwa Rechnungen im PDF-Format in SAP.»

«DOK Digitale Postbearbeitung» wird von einem Team rund um Danilo Callegari bei Abraxas entwickelt und für Kunden nach Mass als SaaS-Lösung in einem Abraxas-Rechenzentrum bereitgestellt. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von Mikroarchitektur-Services, die von einem zentralen Triagesystem gesteuert werden. «Damit lassen sich unterschiedlichste Dokumenten-Digitalisierungsprozesse abbilden», sagt Callegari. So trägt die technische Lösung dem Umstand Rechnung, dass kein Dokumenten- und Postsystem von Organisationen dem anderen gleicht. Die Komponenten decken alle Phasen ab: Erfassung mittels Scanner, Aufbereitung nach bestimmten Standards und künftiger Datennutzung, Ausleitung in die Fachapplikationen und Aufbewahrung in einem rechtssicheren Archiv.

Wurden früher Dokumente dezentral in jedem Amt nach unterschiedlichen Standards digitalisiert, erfolgt dies mit DOK zentralisiert und nach einheitlichen Regeln. «Mit DOK wird die Stellung des digitalen Dokuments in der Verwaltung gestärkt», sagt Danilo Callegari. Dank einfacherer Datenverarbeitung in einer sicheren Umgebung und jederzeitiger Nachverfolgbarkeit werde die bisherige manuelle Postbearbeitung und -verteilung in den nächsten zehn Jahren wohl überflüssig, sagt er.

Auf dem Weg in die Zukunft

In der St. Galler Kantonsverwaltung sieht man sich auf Kurs, obwohl die Menge an physischer Post nur langsam abnimmt. Bei den täglich eingehenden Briefen handelt es sich zu zwei Dritteln um strukturierte Meldungen, die sich für DOK eignen. Ein grosser Teil der Post wird jedoch laut Fabienne Mäder noch nicht gescannt und physisch ausgeliefert. Dies, weil gewisse Ämter noch nicht alle Dokumententypen scannen oder aufgrund ihrer rechtlichen Rahmenbedingungen auf die physische Post angewiesen sind.

Gewisse vertrauliche Sendungen mit sensitivem Inhalt müssen vor der Öffnung aussortiert werden. Hinzu kommen rechtliche Vorschriften. Dokumente wie Wahl- und Abstimmungsunterlagen oder Angebote im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens dürfen nicht zentral gescannt werden. Aus praktischen Gründen werden zudem Printmedien, Spezial- und Überformate oder Werbeflyer gar nicht erst gescannt. Dennoch wächst die digitale Postbearbeitung, langsam und in kleinen Schritten. Per Ende August 2023 waren 1'692 Postfächer mit 1'445 berechtigten Usern aktiv. Über 90 Prozent der ausgeleiteten Dokumente sind Rechnungen – allein von Januar bis August 2023 sind 20'000 nicht mehr physisch, sondern digital via DOK weitergeleitet worden. Auch andere Dokumente nehmen zu: Im Bereich der Stipendien werden jährlich etwa 6'000 Anträge, nachzureichende Unterlagen sowie Semesterbestätigungen vom Postdienst der Staatskanzlei gescannt.

Die Feedbacks der Nutzerinnen und Nutzer seien erfreulich gut, sagt Fabienne Mäder. Sie schätzten die benutzerfreundliche Oberfläche und melden konstruktives Feedback. Die Software ist reif, die juristischen Rahmenbedingungen rund um die Themen Postöffnung, Digitalisierung und Aufbewahrungen sind längst geklärt. Die gescannte Post wird für eine gewisse Zeit nach wie vor im physischen Original gelagert. Nutzerinnen und Nutzer von DOK Digitale Postbearbeitung können diese bei Bedarf, beispielsweise bei juristisch relevanten Dokumenten, direkt aus der Software anfordern.

Noch effizienter in Zukunft

Abraxas legt auch bei der Weiterentwicklung einen starken Fokus auf die Datensicherheit und den Datenschutz. Regelmässig werden mit dem Kanton Security-Audits durchgeführt. Die Dokumente liegen strikte in der Schweiz und werden auch künftig nur soweit ausgewertet, als es den Erfordernissen der Kunden entspricht. So befindet sich derzeit die automatisierte Empfängerzuweisung im Aufbau. Die Adressat-Daten werden dabei extrahiert und das Schreiben direkt zugewiesen. «Dieses Feature wird dem Postdienst die Arbeit erleichtern», sagt Fabienne Mäder. Ausserdem wird seit kurzem der Verarbeitungsprozess zur erleichterten Überwachung visuell dargestellt. «Es wird kein Verhalten ausgewertet», sagt Danilo Callegari, «es geht um Datenqualität und Regelpräzision.» Die Software wird laufend weiterentwickelt, mit Feedbacks aus den Ämtern. «Das Projekt war der richtige Schritt», zieht Fabienne Mäder für die SG-Verwaltung ein erstes Fazit: «Der Bedarf und der Mehrwert für Verwaltung ist definitiv gegeben».

Bruno Habegger

Über Bruno Habegger

Bruno Habegger ist Abraxas-Magazin-Autor und Senior Communication Manager. Er verfügt über eine langjährige Erfahrung im ICT- und Energie-Bereich als Journalist, Contentproduzent und Berater. Er war Präsident einer Regionalpartei und an seinem damaligen Wohnort acht Jahre Mitglied der Sicherheitskommission.