Technik für Menschen oder Menschen für Technik?

Worum geht's eigentlich bei der Digitalisierung? Darum, die Technik optimal für den Menschen einzusetzen? Oder eher den passenden Menschen für die immer schneller fortschreitende Technik zu finden? Der Gastbeitrag von Matthias Graf, Mitglied der Verwaltungsleitung von Gossau ZH.

Von Matthias Graf, Gemeinde Gossau ZH · 13. Februar 2024

Wenn man in den vergangenen Monaten die Entwicklung des Chatbots von Abraxas betrachtete, so ist schnell ersichtlich, wohin uns die Reise bringt: Die Technik unterstützt uns und insbesondere die Bevölkerung bei der jeweiligen Aufgabe. Sie erleichtert unseren Alltag. Kommt das mittlerweile schon inflationär verwendete Wort der «künstlichen Intelligenz» dazu, so wird dieser Mehrwert auch mit einem gewissen Respekt gepaart. Diese Büchse der Pandora öffne ich nun aber nicht.

Vielmehr geht es darum, dass überaus nützliche Tools unseren Alltag vereinfachen. Nicht zuletzt das neue AGov-Login, bei dem beispielsweise der Kanton Zürich als Pilot mitwirken darf, wird die durchlässige papierlose und intuitive Prozesslandschaft passend optimieren. Oder haben Sie schon die E-Autobahnvignette erworben? Dieser Prozess hat mich begeistert, da innerhalb weniger Minuten die Bestellung, die Bezahlung und die Bestätigung des Kaufs ohne notwendige Interaktion ortsunabhängig erledigt werden kann.

Das sind Fortschritte, bei denen wir trotz der notwendigen, sensiblen Datenthematik unseres Tätigkeitsumfelds erfreuliche Prozesse für die Kundschaft gestalten können. Der Bezug von Dienstleistungen der öffentlichen Hand darf Spass machen – und der Kunde erwartet es auch, da er mit seiner Steuerzahlung die gefühlte Akontozahlung dafür oft bereits geleistet hat.

Zusammenfassend freue ich mich auf die kommenden Schritte, denn mit der bevorstehenden E-ID und den laufend durchlässigeren Systemen (Beispiel digitale Signatur direkt in Geschäftsverwaltungen integriert) und Schnittstellen werden wir laufend bessere technische Möglichkeiten erhalten. Also Technik für den Menschen.

Wir können hier jedoch nicht aufhören, da gerade diese schnelle Entwicklung auch einzelne Gefahren birgt. Vorsichtig würde ich es eine Überforderung unsererseits nennen, da die Geschwindigkeit der Veränderungen zunimmt. Dies besagt auch das Mooresche Gesetz (siehe Grafik). Als Beispiel dient die Erfindung des Mikrochips und die stetige Steigerung der Rechnerleistung seit den 1960er-Jahren.

Die Datenspeichermenge erhöht sich exponentiell – unsere menschliche Verarbeitungszeit jedoch bleibt identisch. Der Widerspruch ist schnell ersichtlich und die Folgen kennen wir aus unserem Alltag. Und zugespitzt gesagt, bringt eine optimale technische Landschaft nichts, wenn der Mensch sie nicht versteht.

Etwa ähnlich, wie ein Auto noch so schön sein kann – wenn wir nicht Auto fahren können, bringen die meisten PS nichts. Also braucht es einen vorsichtigen Umgang mit all diesen ICT-Neuerungen.

Mit vorsichtig meine ich einen bedachten Umgang, welche Funktionen zu welchem Zeitpunkt verdaulich und für die Menschen, die damit umgehen, verarbeitbar sind.

Dafür braucht es Menschen, die sich damit beschäftigen. Deshalb braucht es bei ICT-Projekten auch die Betrachtung der oberen Führung, die beurteilt, ob Neuerungen für die Organisation stimmig sind. Deshalb darf der Komponente «Change» bei ICT-Projekten auch zunehmend mehr Rechnung getragen werden, um sicherzustellen, dass uns Neuerungen nicht überfordern.

Wenn wir das beachten, erhalten wir das optimale Gleichgewicht zwischen Technik für Menschen und Menschen für Technik. Dann macht es Freude.

Gastkolumnen im Abraxas Magazin

Das Abraxas Magazin lädt Gastautorinnen und -autoren dazu ein, pointiert zu Aspekten der Digitalisierung Stellung zu nehmen. Die Texte geben die Ansichten und Meinungen der Autorinnen und Autoren wieder und können von der Position von Abraxas abweichen.

Matthias Graf

Über Matthias Graf

Matthias Graf ist Mitglied der Verwaltungsleitung von Gossau ZH. Er leitet verschiedene Projekte im Kontext von ICT und Human Resources. Seine grosse Leidenschaft gilt sämtlichen Themen rund um New Work und wie sich Betriebe organisieren können, sodass Mitarbeiter:innen und Arbeitgeber gleichzeitig zur Entfaltung kommen: generationenübergreifend, branchenübergreifend, ortsunabhängig. Regelmässig schreibt er zu entsprechenden Themen auf Linkedin.