Abstand als Einladung

Covid-19 hat eine wesentliche Dimension unserer sozialen Konventionen neu zur Geltung gebracht: Allgegenwärtig weisen uns Absperrbänder und Zäune, dicke Linien, Fussabdrücke, Pfeile, Kreise und Piktogramme an, Abstand zu halten. Nach Wochen der Quarantäne verschlug es im Sommer viele Menschen an die frische Luft. Das liess clevere Ideen bei Parkbetreibern & Co. entstehen, um das Infektionsrisiko klein zu halten. Warum nicht in Herzen sitzen oder in Schwimmreifen essen?

Von Tim Popple · 7. September 2020

Tim Popple, Bristol

Eine Künstlergruppe rund um «Upfest», Europas grösstes Live-Street-Art- und Graffiti-Festival in Bristol (dessen diesjährige Ausgabe verschoben werden musste), tat sich mit der lokalen Tourismusorganisation und der Standortförderung zusammen. 224 Herzen, die sie auf den beliebten Queen Square in Bristol malten, sollten die Menschen ermutigen, die Stadt zu besuchen. Alle sind mindestens zwei Meter voneinander entfernt, damit man je in der eigenen «Bubble» sitzen und die Stadt geniessen kann. Die Bilder gingen um die Welt. Der Hashtag #BristolTogether verbreitete sich in Windeseile. Anfang August trumpfte Bristol mit einem weiteren Herz-Moment auf: Dutzende Heissluftballone, vereint in einer 128 Meter breiten Herzform, stiegen an der Bristol International Balloon Fiesta in den Himmel. Ganz nach dem Motto: getrennt, doch im Herzen vereint.

Bailey Balloons / Bristol International Balloon Fiesta, Bristol

Kornkreise in Heidelberg, Schwimmreifen in Maryland

Auch Kornkreise tauchten im Sommer vermehrt in Städten auf – ausgelöst nicht durch Ausserirdische, sondern das Corona-Virus. Ob im Rasen des kleinen «Domino Parks im Stadtteil Williamsburg in Brooklyn, San Francisco, oder in Heidelberg – alle waren so weit voneinander entfernt, dass der Sicherheitsabstand zwischen Sonnenbadenden im Park garantiert war. Natürlich durfte, wer zusammengehört, in einen gemeinsamen Kreis sitzen. Und ein Restaurant in Ocean City im US-Bundesstaat Maryland sorgte mit Riesenschwimmreifen als sogenannte «Puffertische» (im Englischen «bumper tables» genannt) für Schlagzeilen. Befestigt auf einem rollbaren Gestell und ausgerüstet mit einer Abstellmöglichkeit für Essen und Getränke, sorgten die Schwimmreifen auch im Trockenen für geselliges Beisammensein und die nötige Distanz.

Reno Laithienne, Valenciennes (F)

Der etwas andere Corona-Park

Hingegen war es um den echten Park, der «Corona» schon seit Jahrzehnten im Namen trägt, bislang eher ruhig. Der 3,6 km² grosse «Flushing Meadows Corona Park» ist ein vom «New York City Department of Parks and Recreation» verwalteter Park im nördlichen New Yorker Stadtteil Queens. Das mit zwei Seen ausgestattete Naherholungsgebiet wurde anlässlich der Weltausstellung 1939/40 angelegt und beherbergte auch die Weltausstellung 1964/65. Von letzterer sind noch die Unisphere, ein riesiger Globus aus Edelstahl (Filmfans bekannt aus Men in Black, 1997), und der seither ungenutzte New York State Pavilion mit den Observation Towers erhalten. Heute ist der Park hauptsächlich bekannt, weil dort jedes Jahr eines der weltweit grössten Tennisturniere ausgetragen wird: die US Open. Das hat den «Corona-Park» kürzlich doch in den Medienfokus gerückt – aufgrund der Frage, ob das diesjährige Turnier trotz Corona durchgeführt werden dürfe.