Gemeindeverwaltungen stehen vor der Herausforderung, dass ihre historisch gewachsenen Strukturen den heutigen Anforderungen nicht mehr genügen. Bevölkerung und Wirtschaft erwarten zeitgemässe, digitale Servicedienste. Viele Gemeinden haben zwar Digitalisierungsprojekte und Chief Digital Officers, doch die Transformation auf strategischer, organisatorischer und kultureller Ebene bleibt oft zurück. Das folgende Beispiel einer Organisationsentwicklung in der Zürcher Gemeinde Horgen zeigt den Weg zur Vision und Roadmap und nennt Hindernisse und Erfolgsfaktoren.
Führungskoalition
Eine Organisationsentwicklung benötigt Zeit, um zwischen Gemeindeschreiber, Geschäftsleitung und Gemeinderat ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Diese Akteure bildeten zusammen mit Mitarbeitenden aus allen Einheiten, Hierarchiestufen und Generationen das Kernteam und brachten dabei die nötigen unterschiedlichen Perspektiven ein.
Dringlichkeit und Vision
Damit Veränderung gelingt, braucht es ein Gefühl der Dringlichkeit. In Workshops reflektierte das Horgner Kernteam, was passieren würde, wenn alles beim Alten bliebe: sinkende Arbeitgeberattraktivität, wachsende Unzufriedenheit von Bevölkerung und Wirtschaft sowie steigende Frustration der Mitarbeitenden. Erst diese Einsicht öffnete den Raum, gemeinsam eine attraktive Zukunft zu entwerfen – eine persönliche, vernetzte und serviceorientierte Gemeinde.
Ausgehend von dieser Vision erarbeitete das Kernteam einen Entwurf für eine Roadmap. Diese zeigte auf, welche Hindernisse zu überwinden und welche Aktivitäten nötig waren, um in diese Zukunft zu gelangen. Es wurden vier strategische Schwerpunkte abgeleitet und mit Handlungsfeldern konkretisiert.
Breite Mitwirkung
In einem sogenannten World Café diskutierten Mitarbeitende, Geschäftsleitung und Gemeinderat die Ergebnisse. Dabei zeigten sich weitere Hindernisse: unklare Führungsrollen, fehlende Kompetenzen, wichtige Vorbildfunktion der Führung, unzureichende IT-Infrastruktur, ungenügende Ressourcen sowie rechtliche Unsicherheiten. Vertrauliche Einzelgespräche mit Mitgliedern der Geschäftsleitung bestätigten diese Punkte.
Ergebnisse
Nach einem einjährigen Prozess hat die Geschäftsleitung – in Abstimmung mit dem Gemeinderat – die Vision mit vier strategischen Schwerpunkten sowie den Handlungsfeldern verabschiedet:
- Förderung digitaler und sozialer Kompetenzen
- Gestaltung des organisationalen Wandels
- Digitalisierung und Automatisierung repetitiver Prozesse
- Vernetzung und Zusammenarbeit
Die Handlungsfelder wurden in einer Roadmap dargestellt, die ihre Abhängigkeiten sichtbar macht. Zeitlich gliedern sie sich im Sinne einer Organisationsentwicklung in die drei Etappen «Grundlagen schaffen», «Strukturen festlegen» und «Transformation verankern».
Erfolgsfaktoren
Kommunikation ist Chefsache!
Klassische Kommunikationskanäle reichen nicht aus, um die Aufmerksamkeit der Mitarbeitenden zu erreichen – gefragt sind neue, kreative Formen der Kommunikation.
Rückschläge gehören dazu!
Der Weggang eines Schlüsselakteurs, etwa des Gemeindeschreibers, kann das Projekt zurückwerfen. Deshalb ist eine breite Abstützung des Kernteams in Politik und Verwaltung von Anfang an sicherzustellen.
Ausreichende Ressourcen sind unentbehrlich!
Fehlen diese, steigt der Aufwand aufgrund ineffizienter Aufgabenerfüllung – anstatt dass durch eine digitale Transformation Effizienz und Servicequalität verbessert werden.
Über Prof. Dr. Caroline Brüesch
Prof. Dr. Caroline Brüesch leitet das Institut für Verwaltungsmanagement (IVM) an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur. Sie forscht zu Organisationsentwicklung, Strategieentwicklung und partizipative Steuerung im öffentlichen Sektor. Zudem engagiert sie sich im Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für Verwaltungswissenschaften.