Eine Drohne schwebt über einer Piste des Militärflugplatzes Dübendorf. Sie fliegt langsam und nur drei Meter über dem Boden. Sie bewegt sich systematisch und zentimetergenau, damit die integrierte Kamera die gesamte Fläche fotografieren kann. Die Aufnahmen übermittelt der Quadrokopter einem Computer, der sie mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) auswertet. «Schäden an Rollfeldern werden so automatisiert erkannt», sagt Florian Scheidegger, Projektleiter bei IBM Research Zürich. Die von ihm mitentwickelte Software identifiziert etwa Beschädigungen, Unebenheiten und selbst kleinste Risse. Dafür wertet sie Tausende von Bildern aus.
Die KI-Anwendung ist dank einem Engagement des Kantons Zürich entstanden. Er hat das Projekt im Rahmen seiner «Innovation-Sandbox für KI» unterstützt. Dabei handelt es sich um eine «Testumgebung, die Lerneffekte im Bereich der künstlichen Intelligenz ermöglicht und breit teilt», wie Raphael von Thiessen Projektleiter von der kantonalen Standortförderung im Amt für Wirtschaft erklärt.
KI unterstützt in der Schule und auf dem Feld
Der Kanton hat die Sandbox Anfang 2022 lanciert. Er hat dafür mit dem Verein Metropolitanraum Zürich zusammengearbeitet, wodurch sieben weitere Stände involviert sind. In einem ersten Durchgang hat er aus 21 Vorschlägen fünf Projekte ausgewählt und begleitet. Sie befassten sich mit der automatischen Korrektur von Hausaufgaben, maschinellem Übersetzen, einem Parkleitsystem und selbstfahrenden Traktoren. Gerade wird das Bewerbungsverfahren für eine zweite Runde abgeschlossen. «Als Querschnitttechnologie transformiert KI viele Bereiche», sagt von Thiessen. Entsprechend gross sei die Bandbreite und das Potenzial innovativer Ideen.
Der Kanton Zürich bietet Startups, KMU, Grossunternehmen und Forschungsinstituten Zugang zu regulatorischem Wissen sowie Daten der öffentlichen Hand. «Wir setzen aber auch um», betont von Thiessen, der das Konzept erarbeitet hat. Konkrete Beispiele sollen aufzeigen, wie KI im Verwaltungsumfeld und darüber hinaus genutzt werden kann. Dadurch unterscheidet sich der Zürcher Ansatz von Initiativen anderer Länder, darunter Grossbritannien oder Norwegen. «Wir schauen uns KI-Anwendungen aus verschiedenen Perspektiven und Schritt für Schritt an», sagt von Thiessen. Neben technischen Aspekten gelte es jeweils ethische, kommunikative und rechtliche Fragen zu klären. Sich diesen frühzeitig zu widmen, zahle sich aus. «Sonst trifft man Entscheide, die später an gesetzlichen Vorgaben scheitern.»
Entwickler wie Florian Scheidegger schätzen diese Unterstützung. «Wir sind beim regulatorischen Teil entlastet worden», sagt er. Drohnen einzusetzen, erfordert eine Bewilligung. Hinzu kommt, dass Kameras im öffentlichen Raum – bzw. auf militärischem Gelände – nur limitiert genutzt werden dürfen. Wegen des Datenschutzes dürfen unbeteiligte Personen oder Autokennzeichen auf Bildern nicht erkennbar sein. Das Projektteam musste den Quadrokopter entsprechend konfigurieren. Er folgt vordefinierten Flugbahnen und fotografiert nur eingeschränkte Bereiche. Sensible Daten würden gar nicht erst erfasst, betont Scheidegger. Er lobt die Zusammenarbeit mit dem Kanton, dem Flugplatz und dem Drohnenunternehmen Pixmap. «Der Austausch war lösungsorientiert und unkompliziert.»
Expertise soll dem ganzen Standort nützen
Damit die Region insgesamt von der Initiative profitiert, informiert der Kanton transparent über die Erkenntnisse aus den Pilotprojekten und gibt Empfehlungen ab. «Wir leisten Wissenstransfer und vernetzen», sagt von Thiessen. Ziel sei es, eine breite Palette von KI-Anwendungen voranzubringen und Impulse für künftige Regulierungen zu geben. «Wir wollen uns als KI-Standort international positionieren und etablieren.»
Der Mitarbeiter der Standortförderung freut sich, dass die Sandbox derart Anklang findet. Die eingereichten Projektideen seien von hoher Qualität. «Auszuwählen, fällt uns jeweils schwer.» Das Interesse an den Erfahrungen im Kanton Zürich ist zusätzlich gestiegen, nachdem die EU ihre Mitgliedstaaten kürzlich dazu verpflichtet hat, derartige Testumgebungen zu schaffen.
Scheidegger zieht eine positive Bilanz: «Unsere Forschung hier in Zürich direkt umzusetzen, war wertvoll.» An Daten aus dem öffentlichen Sektor zu kommen, sei sonst schwierig. Als Vorteil der automatisierten Inspektion beschreibt der IBM-Mitarbeiter die «einzigartige Qualität des Bildmaterials». Drohnen arbeiten systematisch und präzise. Anders als das menschliche Auge ermüdet die Technik nicht. Sie analysiert die Aufnahmen effizient und stets nach denselben Kriterien. Drohnen können zudem in Umgebungen eingesetzt werden, die für Menschen potenziell gefährlich sind. Beispielsweise in steilem Gelände oder auf Staudämmen. Sie eignen sich daher gut, um öffentliche Infrastrukturen zu inspizieren und zu warten. «Das Verfahren könnte bereits heute in der Praxis eingesetzt werden», sagt Scheidegger.
Über Eveline Rutz
Eveline Rutz ist freie Journalistin. Sie schreibt vor allem über politische, wissenschaftliche und gesellschaftliche Themen.