Das politische und gesellschaftliche Leben in den Gemeinden steht und fällt mit der freiwilligen Beteiligung der Bevölkerung. Die Liste der kommunalen Aufgaben ist lang, an spannenden Möglichkeiten zur Mitarbeit mangelt es nicht. Die direkte Demokratie und das Milizsystem – eine urschweizerische Institution – legen hierzu eine wichtige Basis. Die meisten Mitglieder von Exekutivbehörden engagieren sich nebenberuflich in der Kommunalpolitik. Wichtige Erfahrungen und neue Ideen aus dem Berufsleben fliessen so in die Gemeindeführung mit ein. Umgekehrt schafft der Dialog mit der Wirtschaft auch das Verständnis für die Politik. Dank dem Milizsystem bleibt die Politik in der Schweiz bürgernah. Das ist gerade in der heutigen Zeit, wo wir einen Trend zur Individualisierung und eine abnehmende Bereitschaft haben, sich für das Gemeinwohl zu engagieren, alles andere als selbstverständlich.
Doch hohe Belastungen im Beruf, das Thema Vereinbarkeit, ein herausforderndes Umfeld und Erwartungen an Verfügbarkeiten setzen dem System zu. Rund die Hälfte der Schweizer Gemeinden hat Mühe, ihre Exekutivämter mit geeigneten Personen zu besetzen.

Fehlende Diversität in Gemeindeexekutiven
Die Exekutivmitglieder einer Gemeinde oder Stadt sollten die Gesellschaft und ihre Anliegen widerspiegeln. Doch die Realität sieht oft anders aus. Gemäss dem Gemeinde-Monitoring der ZHAW ist der durchschnittliche kommunale Milizpolitiker 54 Jahre alt und männlich. Nur gerade 19 Prozent aller Gemeindepräsidien und 27 Prozent aller Gemeinderäte sind weiblich. Das zeigen die Zahlen, die der Schweizerische Gemeindeverband (SGV) im letzten Herbst erhoben hat. Die Frauen sind in der Kommunalpolitik noch deutlich untervertreten. Damit wird ein grosser Teil der Gesellschaft nicht abgebildet. Ein höherer Frauenanteil in den Gemeinderäten ist dabei nicht nur eine Frage der Fairness. Gemischte Teams in kommunalen Exekutiven verbessern nachweislich die Qualität der politischen Entscheidungen und verändern den Blick auf die Herausforderungen vor Ort. Die Gemeinden versuchen deshalb, vermehrt Frauen anzusprechen – auch ausserhalb von Parteien.
Der Schweizerische Gemeindeverband (SGV) fördert die Vernetzung der Frauen in der Kommunalpolitik, zum Beispiel mit der internationalen Bürgermeisterinnenkonferenz, die er letztes Jahr in Schaffhausen organisiert hat, oder mit seiner Unterstützung für die praxisnahen Tools PromoFemina und Promo 35 der FH-Graubünden. Diese zeigen einfach umsetzbare Massnahmen auf, wie man mehr Frauen und Junge für ein Amt in der Milizpolitik gewinnen kann, etwa mit Mentoring, mit familienfreundlicheren Sitzungszeiten oder indem Sitzungen vermehrt online stattfinden.

Komplexität der Aufgaben nimmt zu
Eine weitere Herausforderung: Die Anforderungen werden zunehmend komplexer. Zahlreiche Dossiers wie etwa die Raumplanung sind heute sehr komplex und lassen sich nur schwer mit einem Milizamt vereinen. Gleichzeitig zählt die Hälfte aller Gemeinden weniger als 1700 Einwohnende und hat eine entsprechend schlanke Verwaltung mit Generalisten statt Spezialisten. In diesen Gemeinden ist ein Exekutivamt vor allem eine Nebenbeschäftigung, die man neben dem ordentlichen Beruf ausübt. Und nicht immer kriegt man das Ressort, in dem man sich von Berufes wegen bereits auskennt.
Eine weitere Problematik bilden die Unvereinbarkeitsregeln. Der Kanton Wallis kennt z. B. ein Gesetz, wonach kommunale Exekutivmitglieder nicht bei «ihrer» Gemeinde oder einem gemeindenahen Betrieb angestellt sein dürfen. Nach den Wahlen im Herbst 2024 führte dies zu Problemen, weil in mehreren kleinen Gemeinden z. B. der Gemeindeförster oder die Mitarbeiterin des Altersheims in den Gemeinderat gewählt wurden. Immerhin: Das Gesetz soll nun geändert werden.
Gemeinsam attraktive Rahmenbedingungen schaffen
Das Milizsystem ist heute unter Druck, keine Frage. Doch eine Krise haben wir nicht. Das zeigt sich auch daran, dass zwar in acht Kantonen ein Amtszwang möglich wäre, dieser allerdings sehr selten angewendet wird. Wie also kann das Milizsystem neu belebt werden? Feststeht, wir müssen Sorge dazu tragen und gemeinsam – Politik und Wirtschaft – attraktive Rahmenbedingungen für das Amt schaffen, etwa durch die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle und eine interne Organisation, die es den Mitgliedern der Exekutive ermöglicht, sich auf die politisch-strategischen Aufgaben zu konzentrieren, während eine Geschäftsführung die Leitung der operativen Arbeit übernimmt. Weiter kommt auch Instrumenten der Nachwuchsförderung sowie der Unterstützung von Netzwerken und Kampagnen (Deine Gemeinde braucht Dich) eine grosse Bedeutung zu. Dabei sollten wir möglichst früh im Rahmen der (schulischen und ausserschulischen) politischen Bildung ansetzen und aufzeigen, was ein politisches Amt in der Gemeinde alles beinhaltet. Ebenso wichtig ist aber auch eine grössere Wertschätzung des kommunalpolitischen Engagements. Gefordert sind gemeinsame Anstrengungen, um die Attraktivität der Ämter zu verbessern und diese sichtbarer zu machen.
Allen Herausforderungen zum Trotz setzen die Miliztätigen in den Gemeindeexekutiven um, was auf Kantons- und Bundesebene beschlossen wird und prägen damit das Leben ihrer Bevölkerung. Hierzu braucht es neben der Freude am Amt und einer dicken Haut insbesondere auch den nötigen Handlungsspielraum. Den Zentralisierungstendenzen des Bundes entgegenzuwirken und den Föderalismus zu stärken, bleibt für den SGV ein wichtiges – vielleicht das wichtigste – Thema. Seit 25 Jahren besagt Art. 50 der Bundesverfassung, dass der Bund die Gemeindeautonomie nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleisten und bei seinem Handeln die Auswirkungen auf die Gemeinden berücksichtigen muss. Somit ist die Gemeindeautonomie seit einem Vierteljahrhundert verfassungsrechtlich garantiert. Ein Grund zum Feiern, aber auch zur kritisch-konstruktiven Reflexion, denn zu oft wird die kommunale Ebene von Bund und Kantonen stiefmütterlich statt als gleichberechtigte Partnerin behandelt – mit Auswirkungen darauf, ein Milizamt zu übernehmen.

Über Claudia Kratochvil-Hametner
Claudia Kratochvil-Hametner ist in Bern aufgewachsen und hat in Genf Politologie studiert. Nach beruflichen Stationen in der Österreichischen Botschaft in Genf und der EU-Delegation für die Schweiz und Liechtenstein in Bern ist sie seit über 15 Jahren für den Schweizerischen Gemeindeverband und für die Anliegen der Gemeinden auf Bundesebene tätig. Seit 2017 als stv. Direktorin und Leiterin Politik, seit letztem Sommer als Direktorin und Leiterin der Geschäftsstelle in Bern mit 8 Mitarbeitenden.