E-Collecting: Mehr Tempo gefragt

Politische Mühlen mahlen langsam. Das ist nicht per se schlecht, denn wenn man sich für Veränderungen genügend Zeit nimmt, entstehen meistens solide und vor allem breit akzeptierte Lösungen. Bei der Digitalisierung der Unterschriftensammlung – dieses wichtigen demokratischen Instruments – sollte der Bund dennoch stärker aufs Tempo drücken.

Von Benjamin Mühlemann, Ständerat Kanton Glarus · 6. Mai 2025

Ständerat Benjamin Mühlemann ist überzeugt, dass die Digitalisierung die Unterschriftensammlung sicherer machen kann. (Foto: zVg)

Der Kanton St. Gallen geht pionierhaft voran: Kürzlich hat die Regierung eine Gesetzesvorlage für E-Collecting verabschiedet. Als erster Kanton möchte St. Gallen Erfahrungen mit dem Sammeln von elektronischen Unterschriften für Referenden und Initiativen gewinnen. Durch die zeitgemässe Digitalisierung der Prozesse will er die politische Teilhabe vereinfachen und die demokratischen Prozesse sowohl sicherer als auch effizienter machen.

Auf Bundesebene fordert das Parlament vom Bundesrat mit mehreren Vorstössen eine ebenso konsequente Herangehensweise. Auslöser dafür sind mitunter die jüngsten Entwicklungen mit möglicherweise auf betrügerische Art zustande gekommenen Initiativen. Offenbar ist ein unregulierter Markt mit dubiosen Akteuren entstanden, was nicht tolerierbar ist, weil es nichts weniger als die Demokratie gefährdet.

Statt dem banal mit Verboten und Regulierungen zu begegnen, erwarten verschiedene National- und Ständeräte nun auch entschlossenes Handeln auf Prozessebene. Nicht nur aus Sicherheits- sondern auch aus Effizienzgründen ist es angezeigt, das demokratische Instrument der Unterschriftensammlung rascher als ursprünglich geplant ins digitale Zeitalter zu überführen.

Heutiges System ermöglicht Missbrauch

Für Referenden und Volksinitiativen sind heute Personalien und Unterschriften in handschriftlicher Form auf Papier zu sammeln. Die Kontrolle und Beglaubigung der Unterschriftsbögen durch die Gemeinden erfolgt in der Regel ebenfalls händisch, die korrekte Zählung ist aufwändig. Kurz: Das System ist veraltet, ineffizient, fehleranfällig und ermöglicht Missbräuche, etwa durch gefälschte Unterschriften.

Ein praxisorientiertes Konzept und moderne Technologien ermöglichen E-Collecting, ohne Sammelaktionen zu verkomplizieren oder digital weniger affine Personen auszuschliessen. Insbesondere die Registrierung, Kontrolle und Zählung der geleisteten Unterschriften wird auf dem digitalen Weg bedeutend einfacher. Der Aufwand für Gemeindeverwaltungen und Bundesbehörden dürfte beträchtlich sinken. Personen, die beim Schreiben handicapiert sind, können ihre Unterschrift einfacher leisten. Investitionen zahlen sich darum aus.

Sicherheit ist von zentraler Bedeutung

Im heutigen Modus reicht eine einfache handschriftliche Unterschrift zur Willensbekundung und Personenidentifikation, was Missbräuche sehr einfach macht. Bereits kleine Schritte bei der Digitalisierung machen die Unterschriftensammlung somit in einem gewissen Mass sicherer. Die Frage wird zu diskutieren sein, wie weit man diesbezüglich gehen will und muss.

Wichtig ist, dass auch künftig niederschwellige Methoden zur Registrierung möglich bleiben. Zudem soll der Charakter des bewährten politischen Instruments möglichst keine Änderungen erfahren. Eine Unterschriftensammlung soll nach wie vor dazu dienen, Stimmbürgerinnen und -bürger zu überzeugen, gemeinsam den Anstoss für eine politische Veränderung zu geben. Die Hürde zur inhaltlichen Willensäusserung über das Leisten einer Unterschrift soll durch einen neuen, digitalen Prozess weder gesenkt noch erhöht werden.

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Gastkolumnen im Abraxas Magazin

Das Abraxas Magazin lädt Gastautorinnen und -autoren dazu ein, pointiert zu Aspekten der Digitalisierung Stellung zu nehmen. Die Texte geben die Ansichten und Meinungen der Autorinnen und Autoren wieder und können von der Position von Abraxas abweichen.

Benjamin Mühlemann

Über Benjamin Mühlemann

Benjamin Mühlemann vertritt den Kanton Glarus seit Dezember 2023 im Ständerat. Parallel dazu arbeitet er als Kommunikationsberater, ist Mitglied des Verwaltungsrats der Glarner Kantonalbank und des Hochschulrats der Ostschweizer Fachhochschule OST. Von 2014 bis zur Landsgemeinde 2024 war er Regierungsrat des Kantons Glarus. Als Mitglied der kantonalen Exekutive leitete er zunächst das Departement Bildung und Kultur, bevor er 2021 ins Departement Finanzen und Gesundheit wechselte. Im Mai 2022 wählte ihn die Landsgemeinde zum Landammann (Regierungspräsident). Benjamin Mühlemann hat Journalismus und Kommunikation studiert und war vor seiner Wahl in die Regierung unter anderem beim Gebäudetechnikverband Suissetec sowie beim Energiekonzern Axpo tätig.