Grossbritannien: Die KI-Prioritäten der Verwaltung

Künstliche Intelligenz ist im öffentlichen Sektor keine Zukunftsvision mehr. Die entscheidende Frage ist heute nicht mehr, ob Behörden KI einsetzen werden, sondern wo und wie schnell dies geschehen wird. Das zeigt ein Blick nach Grossbritannien: Beim «Government Transformation Summit 2025» teilten Vertreter:innen aus Verwaltung und Behörden spannende Erkenntnisse.

Von James Smith, Government Transformation Magazine · 18. Dezember 2025

Beim britischen Government Transformation Summit 2025 wurden über 225 Führungskräfte aus Verwaltung, Behörden und öffentlichen Organisationen vor eine konkrete Entscheidung gestellt: In welche KI-Themen würden sie eine Stunde ihrer Zeit investieren, wenn sie nur eine auswählen könnten?

Diese Form des «revealed preference»-Prinzips – beobachtete statt deklarierter Prioritäten – zeigt erstaunlich klar, worauf Führungskräfte wirklich setzen. Und ebenso, welche Themen zwar viel diskutiert, aber kaum vorangetrieben werden.

Der Government Transformation Summit 2025 fand in London statt. (Foto: Frank Peters)

Die wahren Prioritäten der britischen Verwaltung

Aus über 100 möglichen Themen kristallisierten sich vier klare Spitzenreiter heraus – die Bereiche, in denen die Verwaltung bereit ist, Zeit, Geld und Kapazitäten zu investieren:

KI-Strategie Priorität #1

Visionsentwicklung und Zieldefinition
Priorisierung und Sequenzierung von Investitionen
Abgleich mit Organisationszielen

Konkrete KI-Anwendungsfälle Priorität #2

Wo KI messbare Verbesserungen bringt
Effizienzgewinne, Produktivitätssteigerungen, Servicequalität
Fokus auf rasch umsetzbare Mehrwerte

KI in den Betrieb bringen Priorität #3

Über die Pilotphase hinauskommen
KI nachhaltig in Prozesse und Workflows integrieren
Skalierbare und robuste Betriebsmodelle schaffen

KI-Governance Priorität #4

Risikomanagement, Compliance, Sicherheit
Transparenz und Verantwortlichkeiten
Vertrauenswürdigkeit im grossen Massstab

Diese vier Themen bilden die aktive Nachfrage im öffentlichen Sektor – dort, wo nicht nur diskutiert, sondern gehandelt wird.

Andere Felder wie generative KI oder «AI Human Teaming» erzeugen zwar Neugier, bleiben aber sekundär. Sie gelten derzeit als «latente Nachfrage» – interessant, aber ohne unmittelbare Investitionsbereitschaft.

Ganz unten auf der Prioritätenliste: Themen wie ethische KI oder Bürgervertrauen. Wichtig, ja – aber als eigenständige Projekte noch selten tragfähig.

Warum diese Unterschiede entscheidend sind

Der Unterschied zwischen Reden und Handeln ist für Anbieter, Technologiepartner und politische Entscheider zentral. Führungskräfte wollen keine Showcases mehr. Sie suchen Strukturen, die Skalierung ermöglichen – stabile Governance, klare Strategien und gut definierte Use Cases.

Oder wie es ein KI-Verantwortlicher auf Ministeriumsebene ausdrückte: «Die Frage ist nicht, ob wir KI nutzen. Die Frage ist, ob wir sie gut nutzen. Meine Prioritäten drehen sich um eine vertrauenswürdige, stabile, alltägliche Anwendung – nicht um fragile Experimente.»

Das zeigt: Die Verwaltung befindet sich in einer Reifephase. Es geht weniger um Innovationsglanz, mehr um Integration, Sicherheit und nachhaltigen Nutzen.

Unterschiedliche Prioritäten auf unterschiedlichen Ebenen

Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Trennung zwischen strategischer und operativer Perspektive:

Top-Management (Direktoren, CxOs, Amtsleitungen)

  • Fokus auf Governance, langfristige Strategie, ROI
  • KI als Treiber von Organisationsfähigkeit, Resilienz und Politik-Alignment

Operative Führung (IT-Leads, Servicemanager, Transformationsteams)

  • Fokus auf konkrete Problemlösung
  • Integration in bestehende Workflows
  • Schnelle, sichtbare Ergebnisse

Nicht alle Behörden haben dieselben Herausforderungen

Die Prioritäten variieren stark je nach Verwaltungsebene:

Zentralverwaltung

  • Höchster Fokus auf Governance und vertrauenswürdige KI
  • Hoher politischer Druck und komplexe Compliance-Anforderungen

Agenturen und ausgelagerte Organisationen (ALBs)

  • Doppelte Verantwortung zwischen Politik und operativer Umsetzung
  • Interoperabilität und Abstimmung im Vordergrund

Kommunen und Gemeinden

  • Extrem hoher Kostendruck
  • Gesucht werden KI-Lösungen für bessere Frontline-Services und Produktivität
  • «Low disruption, high impact» ist die Devise

Ein kommunaler Digitalchef brachte es so auf den Punkt: «Wir starten nicht auf der grünen Wiese. Wir müssen mit dem arbeiten, was wir bereits haben – und trotzdem bessere Ergebnisse liefern.»

Die versteckten Prioritäten

Neben den offensichtlichen Trends gibt es Themen, die seltener gewählt, aber bei Auswahl hoch priorisiert sind:

  • Vertrauenswürdige KI – Explizierbarkeit, Risiko, Compliance
  • Agentische KI – relevant für autonome Systeme in komplexen Umgebungen
  • ROI und Wirtschaftlichkeit – als Voraussetzung für Skalierung

Diese Bereiche deuten auf frühe Vorreiter hin, die bereits am nächsten Reifegrad der KI arbeiten.

Wohin sich die Diskussion entwickeln wird

Einige der heute niedriger priorisierten Themen werden künftig an Bedeutung gewinnen – etwa:

  • generative KI
  • Mensch–Maschine-Teams
  • KI-basierte Serviceoptimierung

Sie sind derzeit noch ungeklärt in Fragen wie Governance, Verantwortlichkeiten oder Mandaten. Aber ihr konstantes Auftauchen in Interessenslisten zeigt: Sie sind die nächsten Baustellen, sobald Grundlagen geschaffen sind.

Die Transformation der öffentlichen Verwaltung durch künstliche Intelligenz hat eine neue Phase erreicht: Weg von Pilotprojekten – hin zu belastbaren Strukturen, Governance und skalierbaren Lösungen.

Behörden wollen praktikable, vertrauenswürdige und integrierbare KI, nicht Hype. Die Botschaft ist klar: Wer die Verwaltung bei der Einführung von KI begleiten will, sollte weniger auf Trends setzen – und mehr auf das, was tatsächlich umgesetzt wird.

Dieser Text erschien zuerst im Government Transformation Magazine

Das Government Transformation Magazine berichtet über innovative Projekte und digitale Initiativen rund um die digitale Transformation der UK-Verwaltung, in den Bereichen Betrieb, Digitalisierung, Daten und vernetzte Orte. Der vom Fachmagazin organisierte Government Transformation Summit bringt jährlich über 600 hochrangige Fachleute aus der Zentral- und Kommunalverwaltung zusammen.

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Über James Smith

James ist Herausgeber des britischen Government Transformation Magazine und berichtet seit 25 Jahren über digitale Verwaltung und Reformen im öffentlichen Sektor. Darüber hinaus ist er für die Inhalte des preisgekrönten Government Transformation Summit verantwortlich, der ältesten Veranstaltung zum Thema Transformation des öffentlichen Sektors im Vereinigten Königreich.