Die Mär von der KI in der Verwaltung
Zu Beginn 2021 hat die Staatskanzlei des Kantons Zürichs einen Bericht zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Verwaltung vorgelegt. Dabei wurde rasch festgestellt, dass die möglichen Anwendungen in der Verwaltung im Unterschied zur Privatwirtschaft sehr begrenzt sind. Denn staatliche Aufgaben in einer Verwaltung sind grundsätzlich vorgegeben oder benötigen eine rechtliche Grundlage. Durch handfeste Automatisierung sollen bestehende Aufgaben effizienter, rechtssicherer oder exakter erledigt werden. Es geht um Automatisierung und das Vermeiden von Spezialfallen, nicht aber um Kreativität oder das Abweichen von Normen, wie es der Kern von Intelligenz und kreativer Problemlösung ist. KI hat in einem hochregulierten Umfeld keinen Platz: Die Verwaltung ist der letzte Ort, der durch KI durchdrungen werden sollte. Dabei bezeichnet der Begriff der Intelligenz just das Lösen von vollends neuartigen Problemstellungen, das Durchbrechen von Regeln und das kreative Umdeuten oder Anwenden von Normen – just all das, was in einer Verwaltung von Gesetzes wegen ausgeschlossen werden muss. Wird von KI in der Verwaltung berichtet, so handelt es ich um eine krasse Umdeutung des Intelligenz-Begriffes, der eigentlich Automatisierung und Digitalisierung meint; anstelle dessen wird ein Hypebegriff bemüht.
KI in der Verwaltung ist etwa so sinnvoll wie ein Akrobatikflugzeug in einem Tunnel: Klar kann man auch durch einen Tunnel fliegen, doch ist es just das Wesen eine Akrobatikflugzeuges, den Raum zu nutzen und neue Figuren zu fliegen. Ein Zug auf Schienen im selben Tunnel ist zwar weniger spektakulär, würde die Aufgabe allerdings sicherer und zuverlässiger und mit weniger Risiken bewältigen.
Automatisieren geht über Studieren
Automatisierung bietet in der öffentlichen Verwaltung viele Chancen, um Prozesse effizienter und bürgerorientierter zu gestalten. Bereits heute werden in den meisten Kantonen die digital eingereichten Steuererklärungen durch automatische Veranlagungsprogramme zumindest teilweise automatisiert bearbeitet. In der Schweiz setzen einige Kantone auf Software zur effizienten Betrugsbekämpfung. Die Software kann auffällige Steuererklärungen automatisch erkennen und prüfen. Dadurch können Betrugsfälle schneller entdeckt und bearbeitet werden. Ein weiteres Beispiel kommt aus dem Kanton Aargau, wo Software als Entscheidungssupport in der Sozialhilfe eingesetzt wird, um schnell und transparent über Anträge entscheiden zu können. Auch das E-Government-Portal des Bundes setzt neuerdings auf vortrainierte Chatbots. Diese können rund um die Uhr Fragen der Bürgerinnen und Bürger beantworten und auf Wunsch auch Anträge bearbeiten. Der Chatbot spart nicht nur Zeit und Kosten für die Verwaltung, sondern erleichtert auch den Zugang zu Behördenleistungen für die Bürgerinnen und Bürger.
Diese Beispiele zeigen, dass Automatisierung insbesondere die Kreativität und Denkleistung von Verwaltungsangestellten erhöht, indem diese weg von Routinearbeiten hin zu mehr Kundenkontakt und Spezialfällen gelenkt werden kann.
Personen, die in der Verwaltung arbeiten, werden sich in Zukunft vermehrt auf ihre menschliche Intelligenz und Kreativität fokussieren können. Wo Kreativität in der Verwaltung nicht gefordert ist, möge so rasch als möglich maximale Automatisierung Einzug halten. Denn im Unvorhergesehenen liegt die Schwachstelle von ChatGPT, Deep Learning oder der Maschinen-Intelligenz. Dort allerdings, wo es gesetzliche Grundlagen gibt und das Meiste reglementiert ist, soll der Mensch in Zukunft von monotonen Aufgaben befreit werden. Denn menschliche Schaffenskraft und Denkleistung wird insbesondere dieser Tage für dringlichere Herausforderungen benötigt: In der Umsetzung und Anwendung der KI sowie im Stellen der entscheidenden Fragen.
Weitere Informationen zu KI im Verwaltungskontext
Gastkolumnen im Abraxas Magazin
Das Abraxas Magazin lädt Gastautorinnen und -autoren dazu ein, pointiert zu Aspekten der Digitalisierung Stellung zu nehmen. Die Texte geben die Ansichten und Meinungen der Autorinnen und Autoren wieder und können von der Position von Abraxas abweichen.
Über Pascal Kaufmann
Nach dem Studium der Neurowissenschaften und Wirtschaft an der ETH Zürich und an der Northwestern University in Evanston, IL USA, arbeitete Pascal Kaufmann am Forschungslabor für künstliche Intelligenz der Universität Zürich. Dort forschte er an der Schnittstelle zwischen Maschine und Gehirn, um die Geheimnisse von neuronalen Netzwerken und Gehirnaktivität aufzudecken.
Im Jahr 2010 hat er mit Marc Vontobel die Starmind International AG gegründet, eines der weltweit führenden Unternehmen im Bereich Vernetzungs- und Kollaborationstechnologie. Nach seinem Ausstieg bei Starmind gründete Pascal Kaufmann die Mindfire Gruppe, die die weltweit besten Neurowissenschaftler:innen und KI-Talente zusammenbringt, um menschenartige künstliche Intelligenz zu schaffen.