Portugal plant ChatGPT-Einsatz bei Notruf

Das Land auf der iberischen Halbinsel kämpft mit Telefonstreichen und einer hohen Auslastung der Notrufnummern. Deshalb plant das Innenministerium einen Versuchsbetrieb, bei dem künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen soll. Verläuft der Pilot gut, könnte das auf ChatGPT basierende System ab 2025 landesweit eingesetzt werden.

Von Tzvetozar Vincent Iolov, TheMayor.EU · 10. Juli 2023

Gegen Telefonstreiche und Spitzenauslastungen: In Portugal könnte künftig ChatGPT beim Notruf 112 zum Einsatz kommen. (Bild: George Vieira Silva)

Vor kurzem gab das portugiesische Ministerium für innere Verwaltung (MAI) bekannt, dass es plant, die Funktionsweise des Notrufs 112 ab 2025 zu überarbeiten. Die grösste Veränderung wird die Einführung von künstlicher Intelligenz auf der Grundlage der ChatGPT-Technologie bei der Beantwortung von Anrufen sein.

«Wenn das Pilotprojekt gut läuft, sind wir im Prinzip bereit, dieses System ab 2025 für die Beantwortung von Anrufen einzusetzen», sagte der stellvertretende Generalsekretär António Pombeiro am Rande der MAI Tech, einer vom Ministerium organisierten Technologiekonferenz für die Bereiche Sicherheit und Katastrophenschutz in Porto.

Obwohl die Verantwortlichen einräumten, dass dies eine Art Neuland sei, da KI eine «sehr junge Technologie» sei, sind sie optimistisch, dass sie die Arbeit des Dienstes erheblich optimieren und effizienter machen würde. Trotz mehr Effizienz dank KI sollen keine Arbeitsplätze verloren gehen.

First-Line-Responder und Filter gegen missbräuchliche Anrufe

Das neue Notrufsystem funktioniert so, dass der automatisierte Chatbot einen Anruf initial entgegennimmt, insbesondere zu Stosszeiten, wenn die Telefonleitungen überlastet sind – was in bestimmten Situationen, in denen es um Leben und Tod geht, kritisch werden kann.

Solche Spitzenauslastungen treten zum Beispiel bei öffentlichkeitswirksamen Vorfällen auf, wenn viele Menschen das Bedürfnis haben, die Notrufdienste anzurufen. Das Problem ist, dass das Personal für eine normale Auslastung der Telefonleitungen ausgelegt ist, und solche ungewöhnlichen Situationen können sowohl für die Anrufer:innen als auch für die Einsatzkräfte unnötigen Stress bedeuten.

In Zeiten, in denen die Notrufleitungen überlastet sind, kann es fünf oder sechs Minuten dauern, bis die Menschen eine Stimme am Ende der Leitung hören. Das kann kaum als Notfallreaktion bezeichnet werden. Wie die Zeitung «Portugal Resident» berichtet, besteht die Idee darin, «eine erste Schnittstelle zu schaffen, die den Anruf entgegennimmt, bewertet, um welche Art von Problem es sich handelt und welche Art von Reaktion erforderlich ist», aber mit «einer Antwort in natürlicher Sprache».

Das bedeutet, dass Anrufer:innen möglicherweise nicht einmal wissen, dass sie mit einer Maschine sprechen, und es dem Urteilsvermögen der KI überlassen bleibt, den Anruf an einen Menschen weiterzuleiten.

Abgesehen von den Spitzenzeiten gibt es noch ein weiteres Problem, nämlich missbräuchliche Anrufe, darunter Scherzanrufe, die anscheinend etwa 60 % des gesamten Telefonverkehrs ausmachen. Das KI-System soll darum darauf trainiert werden, einen gewöhnlichen Telefonstreich zu erkennen und herauszufiltern.

António Pombeiro erklärte, dass die Einführung der neuen Technologie nicht zu Personaleinsparungen führen wird. Mit dem neuen System möchte das Ministerium jedoch sicherstellen, dass diese effizient ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen können, ohne durch missbräuchliche Anrufe ausgelastet zu werden.

Dieser Text erschien zuerst bei TheMayor.EU

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Über Tzvetozar Vincent Iolov

Vincent ist Redakteur bei TheMayor.EU. Er hat einen Bachelor-Abschluss in Tourismusmanagement (Universität Pretoria) und einen weiteren in Europa- und Lateinamerikastudien (Universität Toronto) sowie einen Master-Abschluss in internationaler Geschichte (Geneva Graduate Institute). Er ist sehr interessiert daran, was in Europa und darüber hinaus kulturell und politisch passiert, und glaubt, dass die Regionen des alten Kontinents eine stärkere Stimme brauchen.