Im Spannungsfeld der digitalen Transformation

Peppino Giarritta trägt dazu bei, dass die Schweiz digital vorankommt. Im Auftrag von Bund, Kantonen und Gemeinden koordiniert und fördert er die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung. Als Präsident des Vereins eCH setzt er sich zudem für Standards ein.

Von Eveline Rutz · 20. November 2025

Dr. Peppino Giarritta
Beauftragter von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz
«Ich stehe in einem Spannungsfeld von Erwartungen und Möglichkeiten.»

Es war ein langer und steiniger Weg. Bis die elektronische Identität (E-ID) kürzlich vom Volk gutgeheissen wurde, dauerte es Jahre. 2021 war ein erstes Konzept an der Urne gescheitert. Intensive Debatten und Vorbereitungen blieben ohne konkretes Ergebnis. Vergeblich hatten die Projektverantwortlichen davor gewarnt, dass die Schweiz ohne E-ID digital abgehängt werde. Sie mussten über die Bücher – und waren gefordert, unter Zeitdruck zu einer mehrheitsfähigen Lösung zu gelangen.

Peppino Giarritta übernahm dabei eine zentrale Rolle. Einerseits präsidiert er den Verein eCH, welcher die Standardisierung vorantreibt und sich des Themas schon früh angenommen hatte. Anderseits ist er seit 2021 als Beauftragter von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz (DVS) tätig. Als solcher koordiniert er digitale Vorhaben über alle drei Staatsebenen hinweg. Dass die Schweiz 2026 einen elektronischen Pass erhält, ist auch sein Verdienst.

«Die DVS hat wesentlich zur Neulancierung der E-ID beigetragen», sagt der Wahl-Aargauer im Rückblick. Die Zusammenarbeitsorganisation ist nach dem Volksnein von 2021 aktiv geworden und hat eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Diverse Kantone waren zu diesem Zeitpunkt bereits daran, eigene digitale Identitäten zu entwickeln oder anzuwenden. Solche Aktivitäten galt es aufeinander abzustimmen. «Diese Fachleute waren für den Bund wertvolle Gesprächspartner», sagt Peppino Giarritta. Mit ihrer Expertise hätten sie geholfen, das weitere Vorgehen landesweit zu koordinieren. Dabei habe sich auch gezeigt, dass es eine Übergangslösung brauche, bis die E-ID komme.

Die DVS und mehrere Bundesstellen haben darauf zusammen AGOV lanciert. Mit dem Projekt haben sie ein sicheres Behörden-Login geschaffen, mit dem die Gemeinwesen ab 2024 Erfahrungen sammeln konnten. AGOV sei in kurzer Zeit realisiert worden und diene der Bevölkerung unmittelbar, führt Giarritta aus. Das Beispiel zeige, wie die DVS der digitalen Transformation Schub gebe. «Dank AGOV wird es möglich sein, die E-ID rasch einzuführen und nahtlos anzuwenden. Alle mit dieser Infrastruktur erschlossenen Leistungen können ab dem ersten Tag auch mit der E-ID genutzt werden.»

Peppino Giarritta und Digitale Verwaltung Schweiz

Die Digitale Verwaltung Schweiz (DVS) wird von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden gemeinsam getragen. Die Zusammenarbeitsorganisation hat die Aufgabe, die digitale Transformation in der öffentlichen Verwaltung voranzubringen. Sie koordiniert und begleitet E-Government-Aktivitäten zwischen und innerhalb der drei föderalen Ebenen. Die DVS begleitet Projekte, die schweizweit von Interesse sind, mit fachlicher und finanzieller Unterstützung. Sie setzt sich insbesondere für Basisdienste und Standards ein. Die DVS ist seit 2022 operativ tätig. Geleitet wird die DVS von Dr. Peppino Giarritta als Beauftragtem von Bund und Kantonen. Der promovierte Physiker und Wirtschaftsingenieur koordiniert in dieser Rolle die digitale Transformation der Schweiz.

Im Kanton Zürich hat er E-Umzug angestossen

E-Government fokussiere auf den gesellschaftlichen Nutzen, betont Giarritta. Anders als in der Privatwirtschaft gehe es in der öffentlichen Verwaltung nicht darum, den Gewinn zu optimieren. «Digitale Services des Staates sollen der Bevölkerung einen Mehrwert bieten. Das motiviert mich.» Der DVS-Beauftragte hat ursprünglich Physik und Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Er war an der Universität Zürich, am CERN in Genf und in der Strategieberatung tätig. Durch zahlreiche Beratungsmandate hat er mitbekommen, «wie unglaublich spannend der Bereich E-Government ist». 2007 wechselte Giarritta zum Kanton Zürich, wo er bis 2020 in verschiedenen Funktionen arbeitete – zuletzt als Leiter der Hauptabteilung Digitale Verwaltung und E-Government. Zusammen mit seinem Team hat er dazu beigetragen, dass Zürich in Sachen Digitalisierung zeitweise eine Pionierrolle einnahm. Unter seiner Leitung ist beispielsweise ein E-Umzug lanciert und erfolgreich umgesetzt worden. «Wir hatten von Anfang an eine schweizweite Lösung vor Augen», erzählt Giarritta. Diese übergreifende Sichtweise habe dazu beigetragen, das Angebot schliesslich schweizweit zu etablieren.

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Er schätzt es, mit «Leuten von der Front» zu sprechen

Solche Erfahrungen kämen ihm nun zugute. Schon als kantonaler Angestellter habe er mit Vertreter:innen aller Staatsebenen zusammengearbeitet. Dies mache er jetzt in einem grösseren Rahmen. Bei der DVS seien die Strukturen und die Herausforderungen deutlich komplexer.

«Es besteht die Gefahr, dass eine gewisse Distanz entsteht.» Umso mehr Wert legt Peppino Giarritta darauf, sich mit den verschiedenen Akteuren direkt auszutauschen und etwa an der DVS-Delegiertenversammlung mit «Leuten von der Front» zu sprechen. Seinen Berufsalltag beschreibt er als äusserst vielseitig und anspruchsvoll. «Man steht in einem Spannungsfeld von Erwartungen und Möglichkeiten.»

Aktuell beschäftigt sich der Digitalisierungsbeauftragte intensiv mit der Weiterentwicklung der DVS. «Wir möchten die föderale Zusammenarbeit entlang von zwei Stossrichtungen voranbringen», erklärt er. Einerseits müsse das gemeinsame Vorgehen von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden gestärkt werden, indem für die Architektur und die Standardentwicklung mehr Ressourcen bereitgestellt würden. Andererseits gelte es, Rechtsgrundlagen zu schaffen, um wesentliche Standards langfristig verbindlich zu regeln. Der Verein eCH soll dabei intensiv eingebunden werden. Er bringt Expert:innen aus Verwaltung, Privatwirtschaft und Wissenschaft an einen Tisch. Sie begegnen sich auf Augenhöhe und arbeiten gemeinsam an der Standardisierung. «Dies braucht es, um den aktuell notwendigen Entwicklungen in der Digitalisierung gerecht zu werden», sagt eCH-Präsident Giarritta. Was eCH erarbeitet, soll künftig eine stärkere Wirkung entfalten. «Standards sollen vermehrt durchgesetzt werden.» Bund und Kantone beurteilen das Zielbild der DVS grundsätzlich positiv. Nach einer breiten Konsultation dürften aber noch einzelne Punkte präzisiert werden.

Die DVS habe in den letzten drei Jahren einiges erreicht, sagt Giarritta. Sie habe sich früh eine Digitalstrategie gegeben, um Orientierung zu schaffen. Sie habe diverse Projekte umgesetzt, von denen die Einwohner:innen der Schweiz nun konkret profitierten. Zum Beispiel beim E-Voting oder beim elektronischen Lernfahrausweis (eLFA). Bei der Cloud-Infrastruktur wäre der DVS-Beauftragte hingegen gerne weiter. «Da könnte man noch konkreter vorgehen», findet er. Dass das Parlament entschieden hat, die Swiss Government Cloud umzusetzen, begrüsst er. «Sie wird für die öffentliche Verwaltung ein wichtiger Baustein sein.»

Dr. Peppino Giarritta
Beauftragter von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz
«Dank AGOV wird es möglich sein, die E-ID rasch einzuführen und nahtlos anzuwenden.»

Was möglich ist, erledigt er übers Handy

Von der E-ID verspricht sich Giarritta einen Digitalisierungsschub. Die geschaffene Vertrauensinfrastruktur biete viele neue Möglichkeiten, die es zu nutzen gelte. «Davon wird die Schweiz profitieren.» Auch privat freut sich der DVS-Beauftragte darauf, sich in der digitalen Welt sicher ausweisen und zusätzliche Services nutzen zu können. Er erledigt möglichst viel via Smartphone. Er nutzt digitale Karten von Swisstopo, bucht online Ferien, hört Musik und liest Zeitungen digital. «Digitale Anwendungen können auch nützlich sein, um Optimierungsmöglichkeiten im eigenen Verhalten aufzuzeigen», so Giarritta. Dieses Potenzial könnten Gemeinwesen seiner Meinung nach vermehrt ausschöpfen. Etwa, indem sie Kund:innen mithilfe von Apps dazu anregen, ihren Stromverbrauch zu überdenken.

In seiner Freizeit geniesst es der Digitalexperte, zuweilen bewusst offline zu sein. Er fährt gerne Ski und geht für ein gutes Essen lieber ins Restaurant als einen Lieferdienst zu bestellen. Angesichts des digitalen Wandels bekomme die analoge Welt eine stärkere Bedeutung, sagt er. So arbeite er kaum im Home-Office. Online-Diskussionsforen seien zwar praktisch; persönliche Treffen ermöglichten jedoch einen direkteren Austausch. Wenn er in der Schweiz unterwegs sei, lerne er zudem andere Regionen und Kulturen kennen. «Als ich an die Delegiertenversammlung nach Fribourg gefahren bin, habe ich wieder einmal erlebt, wie vielfältig die Schweiz ist.» Auch an seinem Wohnort zieht Peppino Giarritta den persönlichen Kontakt dem digitalen manchmal vor. Wegen eines öffentlichen Mitwirkungsverfahrens ging er vor Kurzem gerne ins Gemeindehaus, wie er betont. «Ich habe es allerdings geschätzt, dass ich die Unterlagen davor schon digital studieren konnte.»

Dank E-ID mehr Spielraum: Peppino Giarritta, Beauftragter von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz. (Bild: Jonas Weibel)
Eveline Rutz

Über Eveline Rutz

Eveline Rutz ist freie Journalistin. Sie schreibt vor allem über politische, wissenschaftliche und gesellschaftliche Themen.