1. Plädoyer für massvolle Regulierung
Wie viel Regulierung verträgt eine innovative, sich rasant entwickelnde Technologie? Diese Frage zog sich durch den ganzen Vormittag.
Schon in seiner Eröffnungsrede plädierte NZZ-CEO Felix Graf für einen verantwortungsvollen Umgang mit künstlicher Intelligenz. Hinsichtlich der geplanten Regulierung von KI, zum Beispiel durch den EU Cloud Act, sei Zurückhaltung geboten, damit die Schweiz den Anschluss nicht verliere. Auch für Rechtsanwältin Vera Vallone darf «Innovation nicht aufgrund Rechtsunsicherheit gehemmt werden». Auch für Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft komme die Regulation zu früh. Man wisse aktuell noch zu wenig darüber und es sei unklar, was der geplante EU Cloud Act für die Schweiz bedeute. Generell fahre die Schweiz bei ihrer Regulation gut und lasse genug Raum für Innovation. Das sei auch hier wichtig.
2. Mit ChatGPT ist KI in der Breite angekommen, auch bei Verwaltungen
«Wie weit ist es noch bis human-grade KI?», fragte Pascal Kaufmann in seiner Begrüssung. Mit der Einführung von ChatGPT habe er sich zum ersten Mal gedacht, dass wir an diesem Punkt angekommen sein könnten. ChatGPT hat KI-Technologie für die Breite Masse nutzbar gemacht. 90-Jährige, die bisher nie einen Computer benutzt haben, bedienen mit Sprachsteuerung einen Computer auf ganz natürliche Art und Weise. «Vor ChatGPT war KI ein abstraktes Konstrukt. Nun ist es auf einfachste Art und Weise im Alltag angekommen. Es hat neue Welten geöffnet», sagt auch Mark Cieliebak, Professor am Centre for Artificial Intelligence der ZHAW.
Von der einfachen Bedienung und dem Zugang zu einer Unmenge von Daten über ein praktisches Chat-Interface dank Large Language Models (LLM) profitiert auch die neuste Generation von Abraxas CHATBOT. Der 24/7-Onlineschalter für Verwaltungen bei Kantonen und Gemeinden bringt dank modernen LLM-Technologien stark verbesserte Sprachfähigkeiten mit. Zusammen mit der automatischen Erfassung der verfügbaren Verwaltungsinformationen reduziert das den Administrationsaufwand für Verwaltungen massiv und steigert gleichzeitig die Antwortqualität für die Nutzerinnen und Nutzer aus der Bevölkerung.
Mit der KI-Innovation-Sandbox bietet auch der Kanton Zürich einen spannenden Rahmen, um neue Projekte in einer Testumgebung zu verfolgen. Bei der ersten Runde lag der Fokus auf Computer-Vision-Anwendungen, LLMs hätten damals noch in den Kinderschuhen gesteckt. Ab Mai 2024 gehe es in die zweite Runde mit einem grossen Fokus auf LLMs.
3. Bildungssegment steht mit KI vor grossen Herausforderungen
Ganze Bachelorarbeiten, die von ChatGPT verfasst werden? Die Englischübersetzung, die mit dem KI-Assistenten von OpenAI ganz leicht von der Hand geht? Davor fürchten sich aktuell noch viele Bildungsinstitutionen. Der ehemalige Dozent für Didaktik Henry Goldmann fasst es so zusammen: «Ein Jahr nach der Einführung dominiert in der Bildung noch die Wahrnehmung als Gefahr. Dabei bietet es so viele Chancen.» Er sei aber sehr zuversichtlich, dass es mit der Zeit gut komme. Denn dank ChatGPT & Co. würden Lehrende und Lernende von Routineaufgaben entlastet und es entstünden ganz neue Möglichkeiten. So könne ein neues Zeitalter der individualisierten Bildung eingeleitet werden. Die Frage sei nun nur, wie rasch es der Bildungslandschaft gelinge, den Übergang zur konstruktiven Nutzung zu schaffen.
4. Schweiz kann bei KI führende Rolle einnehmen
Die rasanten Entwicklungen der KI-Plattformen machen ihn enthusiastisch und schlaflos zur gleichen Zeit, sagt Marc Walder, Ringier-CEO und Gründer von Digitalswitzerland. Wichtig sei, dass die Schweiz den Anschluss nicht verpasse. Auch KI-Pionier und Hirnforscher Pascal Kaufmann sagt, in der Schweiz sei alles vorhanden. Mit der ETH und verschiedenen Fachhochschulen sei die Ausbildung im KI-Bereich ausgezeichnet und viele internationale Konzerne unterhielten in Zürich entsprechende Forschungsabteilungen. «Die Schweiz kann das AI-Race gewinnen!», ist Kaufmann überzeugt. «Wir haben die Expertise. Nutzen wir sie!», ruft er die Anwesenden auf.
Der Konsens am BeyondGPT-Vormittag: Das gelinge aber nur, wenn alle Player zusammenarbeiten. Der Schlüssel liege in der Kooperation. Nur so liessen sich Synergien und Chancen nutzen. Marc Walder: «Die Schweiz hat alles, um eine führende KI-Nation zu sein. Aber wir müssen es annehmen.»
5. ChatGPT ist erst der Anfang
Alles spricht aktuell von ChatGPT, doch für viele Forscher:innen ist das erst der Anfang. Der Chat als Interface zur Interaktion mit künstlicher Intelligenz habe vieles vereinfacht. Large Language Models seien künftig die Basistechnologie, doch «die echte Magie entsteht in den Applikationen, die darauf aufbauen», sagt Marc Holitscher, National Technology Officer bei Microsoft Schweiz.
So kann die Technologie die Basis bieten, um neue Lösungen für die drängendsten Probleme der Menschheit zu entwickeln. In einem gemeinsamen Projekt entwickeln IBM und die NASA aufgrund einer Unmenge von Daten ein neues Foundation Model für die Wetter- und Klimaprojektion. Die Daten stehen schon jetzt öffentlich zur Verfügung und helfen bereits bei der Identifikation von Hochwasser- oder Waldbrandgebieten.
Er wünsche sich einen Nachdenkmodus für die KI, sagt Thilo Stadelmann, Professor am Centre for Artificial Intelligence der ZHAW und Board Member von AlpineAI. Aktuelle Modelle seien auf sofortige Anwendungen ausgelegt. Ein Gedankengang dauere manchmal aber einfach länger. Wozu wären KI-Modelle fähig, wenn sie in der Lage wären, für gewisse Fragen in einen tiefgehenden Nachdenkmodus zu schalten?
In der abschliessenden Grussbotschaft sorgte Jürgen Schmidhuber, von der New York Times als «Vater moderner KI» bezeichnet, für einige Lacher im Kinosaal: Er erhoffe sich eine KI, die alles übernehme, was er heute mache, damit er in Rente gehen könne. «Und wenn mich nicht morgen ein Meteorit trifft, dann glaube ich daran, dass ich das noch erlebe.»