Im Herzen des Föderalismus

Im Kanton St. Gallen werden seit Anfang 2023 die Einwohnerlösung Daten Management Einwohnende (DME) und das neue Personenregister (PER) umgesetzt. Während das DME die Einwohnerdaten produziert, pumpt das Register wie ein Herz künftig diese Daten in verschiedene Fachlösungen bei Kanton und Gemeinden. Das gemeinsame Vorgehen über föderale Ebenen hinweg ist Erfolg versprechend.

Von Gregor Patorski · 26. Mai 2023

«Wenn wir einheitlich arbeiten, können wir auch die Prozesse nach aussen zu den Kunden einheitlich gestalten», sagt Ivo Toman, Leiter Geschäftsstelle «eGovernment St. Gallen digital.». (Illustration: Patric Sandri)
Föderalismus zieht Grenzen. Wir ziehen sie – gemeinsam – neu. Ivo Toman, Leiter «eGovernment St. Gallen digital.»

«Föderalismus setzt Grenzen. Deshalb ist es schwierig, E-Government voranzutreiben», stellt Ivo Toman, Leiter der Geschäftsstelle «eGovernment St. Gallen digital.» beinahe schon ernüchtert fest, nur um im nächsten Satz die Lösung zu präsentieren: «Deshalb ist es notwendig, im gemeinsamen Vorgehen diese Grenzen ‹virtuell› neu zu ziehen. Die Entscheide sind dann austariert und werden von allen getragen – Gemeinden und Kanton.» Eine integrierte Lösung bedarf einer punktuell gemeinsam neu verhandelten Gemeindeautonomie.

Vorreiterrolle dank Grossprojekt

Diese gemeinsamen Entscheide wurden Ende 2021 vom Kanton und den St. Galler Gemeinden für das Vorhaben, ein einheitliches Datenmanagement für Personendaten einzuführen, gefällt: Im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung hat «eGovernment St. Gallen digital.» den Auftrag an Abraxas vergeben. Voraussetzungen dafür, dass St. Gallen hier schweizweit eine Vorreiterrolle einnehmen kann, waren laut Ivo Toman «unsere Organisation, der gemeinsame Wille zu einem einheitlichen Tool und das gegenseitige Vertrauen». Bis Ende 2028 entstehen damit eine homogene Systemlandschaft, die sämtliche Prozesse und Abläufe für Bevölkerungsdienste digitalisieren wird und einen Kantonsstandard im Bereich Einwohnerwesen setzt.

«eGovernment St. Gallen digital.»

«eGovernment St. Gallen digital.» ist seit 2019 die gemeinsame Institution von Kanton und St. Galler Gemeinden. Die selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt treibt E-Government-Entwicklungen voran, damit die Interaktionen der Bevölkerung und der Unternehmen mit den öffentlichen Stellen einfacher, schneller und transparenter werden. Dank der übergeordneten Steuerung können verbindliche Standards und strategische E-Government-Services festgelegt werden.

Vom Herzen der Architektur …

Abraxas führt verschiedene Fachlösungen in ihrem Portfolio, welche Personendaten individuell bewirtschaften. Auf kantonaler Ebene sind dies zum Beispiel Lösungen für Strassenverkehrsämter, Ordnungsbussen, Steuern und viele mehr. Auf kommunaler Ebene sind dies innerhalb der Abraxas Gemeinde-Suite zum Beispiel Lösungen für Finanzen, GEVER, Bevölkerungsdienste und andere. Ziel des seit 2020 entwickelten Personenregisters ist es, das Once-only-Prinzip bei Personendaten für Fachlösungen zu erreichen – für eigene und solche ausserhalb des eigenen Portfolios. Dabei werden die Daten zentral mittels eCH-Standard aktuell gehalten. So muss eine Person jeweils nur einmal bewirtschaftet werden und die Daten stehen in allen Fachlösungen aktualisiert zur Verfügung. «Zusammen mit dem Datenmanagement Einwohnende (DME) ist das Personenregister das Herzstück des Projekts», so Marcel Oberer, Domänen-Architekt bei Abraxas und verantwortlich für den Bauplan des Personenregisters. In St. Gallen sollen möglichst alle Umsysteme mit Personendaten versorgt werden. Das DME ist dabei der Produzent der Daten, das Personenregister sorgt für deren datenschutzkonforme Verteilung. So können auch die Ansprüche der Bevölkerung besser bedient werden: Eine einmalig gemeldete Änderung wird künftig umfassend in der gesamten öffentlichen Verwaltung berücksichtigt – selbstverständlich unter Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen.

Hauptunterschied zu bestehenden kantonalen Registerlösungen sind die Datenflüsse: Das Resultat ist eine integrierte Lösung mit konsolidierten Daten ohne Datensilos bei einzelnen Gemeinden und innerhalb eines Kantons. Personen-Doubletten gehören damit der Vergangenheit an. Sprich: Das Personenregister von Abraxas ist keine kantonale Individuallösung, sondern kann auch in anderen Kantonen zur Anwendung gelangen. Voraussetzung ist allerdings – dass die Staatsebenen Kanton und Gemeinden eng miteinander kooperieren.

Drei Erfolgsfaktoren: gute Organisation, gemeinsamer Wille, gegenseitiges Vertrauen. Ivo Toman

… ins Herz des Föderalismus

Ivo Toman ist überzeugt, dass das Synergiepotenzial unter den St. Galler Gemeinden und dem Kanton erheblich ist. Er nennt Datenkonsistenz, die mehrfache Wiederverwendbarkeit der Daten in verschiedenen Fachlösungen und die Standardisierung als Vorteile. «Kleinere Gemeinden werden nicht mehr fusionieren, sondern verstärkt zusammenarbeiten. Wenn man gleichartige Tools hat, dann kommt es nicht mehr drauf an, ob ich die Einwohnerlösung von Berg oder von Steinach bediene – Stellvertretungen sind so einfacher machbar.» Und ganz unerwartet stossen wir vor ins Herz des Föderalismus: «Am Ende trägt die Digitalisierung auf diese Weise dazu bei, die föderalen Strukturen zu stärken.»